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Der Bundestag hat am 5. Dezember 2025 das Rentenpaket II beschlossen. Es ist der größte Eingriff in die Altersvorsorge seit der Jahrtausendwende. Das Gesetz zementiert das Rentenniveau und führt eine Aktienrente ein. Wir haben das 200-Seiten-Gesetz durchleuchtet: Was die „Aktivrente“ bringt und warum es ab 2027 auf dem Gehaltszettel teurer wird.
Ein Gesetz, das jeden Geldbeutel trifft
Es war ein Abstimmungsmarathon am Freitagnachmittag, doch nun herrscht Klarheit: Das Rentenniveau wird entkoppelt von der Demografie. Mit 319 Ja-Stimmen hat die Koalition ein Versprechen eingelöst, das vor allem die Babyboomer-Generation absichert. Doch für Verbraucher ist die politische Debatte zweitrangig. Was zählt, ist die Wirkung auf das eigene Portemonnaie.
Wir haben die drei Kernsäulen des Pakets – Niveauschutz, Generationenkapital und Aktivrente – einer tiefgehenden Marktanalyse unterzogen. Dabei zeigt sich: Das Gesetz verteilt massiv um. Von Jung zu Alt, von Beitragszahlern zu Rentenempfängern, aber auch vom Finanzamt hin zu arbeitenden Senioren.
Das Wichtigste in Kürze
- Garantie: Das Rentenniveau bleibt bis 2040 gesetzlich bei 48 Prozent fixiert.
- Börseneinstieg: Der Bund nimmt Kredite auf, um einen 200-Milliarden-Euro-Fonds für die Rente aufzubauen (Generationenkapital).
- Kosten: Die Rentenbeiträge werden ab 2027 spürbar steigen.
- Bonus: Wer im Rentenalter weiterarbeitet, erhält hohe Steuerfreibeträge („Aktivrente“).
1. Die Haltelinie: Der 48-Prozent-Schutzschirm
Das Kernstück der Reform ist die sogenannte „Niveauschutzklausel“. Bisher galt: Wenn immer weniger Junge für immer mehr Alte zahlen, muss das Rentenniveau (das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittslohn) sinken, um die Beiträge stabil zu halten. Dieser Automatismus ist nun außer Kraft gesetzt.
Was bedeutet das konkret für Rentner?
Die Renten werden in den kommenden Jahren stärker steigen als nach der alten Formel. Ein Beispiel des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), das wir nachgerechnet haben, zeigt die Dimension:
| Jahr | Rente ohne Reform (Prognose) | Rente mit Rentenpaket II | Unterschied pro Jahr |
|---|---|---|---|
| 2030 | ca. 46,8 % Niveau | 48,0 % Niveau | + ca. 280 € |
| 2035 | ca. 45,4 % Niveau | 48,0 % Niveau | + ca. 510 € |
Unsere Einschätzung: Für die rund 21 Millionen Rentner und die Jahrgänge, die kurz vor dem Ruhestand stehen (Babyboomer), ist das Gesetz ein Gewinn. Es verhindert den relativen Kaufkraftverlust im Alter. Die Rente bleibt an die Lohnentwicklung gekoppelt.
2. Das Generationenkapital: Wette auf die Weltwirtschaft
Um die enormen Kosten der Haltelinie zu decken, ohne die Beiträge sofort explodieren zu lassen, betritt Deutschland Neuland. Statt nur „von der Hand in den Mund“ zu leben (Umlageverfahren), wird ein Kapitalstock aufgebaut.
Anders als oft missverstanden, wird hierfür nicht Ihr monatlicher Rentenbeitrag an der Börse spekuliert. Das Modell funktioniert so:
- Schulden machen: Der Bund nimmt Kredite auf (zu aktuell ca. 2,3 – 2,5 % Zinsen).
- Investieren: Dieses Geld fließt in eine unabhängige Stiftung, die es global in Aktien streut (erwartete Rendite ca. 7 %).
- Abschöpfen: Die Differenz zwischen Zins und Rendite bleibt im Fonds. Ab Mitte der 2030er Jahre sollen jährlich 10 Milliarden Euro Gewinne in die Rentenkasse fließen.
„Das Generationenkapital ist keine ‚Zockerei‘, sondern eine Diversifizierung der Einnahmen. Es birgt Risiken, ist aber angesichts der Demografie alternativlos.“
– Finanzanalyst Dr. Jörg Weber, exklusiv für Verbraucher.Online
Verbraucher-Check: Das Risiko liegt beim Steuerzahler, nicht beim Rentner. Sollte der Börsenfonds crashen, garantiert der Bund für die Rentenzahlung. Die Entlastungswirkung ist allerdings begrenzt: 10 Milliarden Euro Zuschuss klingen viel, decken aber in Zukunft kaum zwei Wochen an Rentenausgaben.
3. Die Rechnung bitte: Der Beitragsschock kommt 2028
Hier müssen wir Wasser in den Wein gießen. Die Stabilisierung der Leistungen hat einen Preis, und der wird auf Ihrem Gehaltszettel sichtbar werden. Aktuell zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je 9,3 Prozent (zusammen 18,6 Prozent). Das Gesetz sieht vor, dass dieser Satz nur noch kurz stabil bleibt.
Prognose der Beitragssätze (lt. Gesetzentwurf):
- ✅ 2025/2026: 18,6 % (stabil)
- ⚠️ 2028: Anstieg auf 20,0 %
- 🚨 2035: Anstieg auf 22,3 %
Was heißt das für Sie?
Bei einem Bruttoeinkommen von 4.000 Euro zahlen Sie heute 372 Euro monatlich in die Rentenkasse (Arbeitnehmeranteil). Im Jahr 2035 wären es bei einem Satz von 22,3 Prozent schon 446 Euro – ohne dass Sie mehr verdienen. Das sind fast 900 Euro weniger Netto im Jahr allein durch die Rentenerhöhung. Dazu kommen voraussichtlich steigende Pflege- und Krankenkassenbeiträge.
4. Die „Aktivrente“: Ein Steuer-Turbo für Senioren
Das Highlight des Pakets für fitte Senioren ist die neue „Aktivrente“. Der Staat braucht Arbeitskräfte und lockt mit massiven Steuervorteilen. Wenn Sie die Regelaltersgrenze erreicht haben und weiterarbeiten, ändert sich die Rechnung grundlegend.
Der neue Freibetrag
Ab sofort können arbeitende Rentner einen Teil ihres Lohns steuerfrei stellen lassen. Die Politik spricht von einem „Anreiz-Turbo“.
- Arbeitgeberbeiträge fließen an Sie: Wenn Sie auf die Rentenversicherungsfreiheit verzichten, erhalten Sie nicht nur Rentenpunkte, sondern auch den Arbeitgeberbeitrag direkt ausgezahlt („Auszahloption“).
- Steuerfreiheit: Bis zu einem gewissen Grad bleiben Zusatzeinkommen steuerlich begünstigt. Konkret sollen Übergangsgelder und Hinzuverdienste entlastet werden.
Rechenbeispiel: Rentnerin Maria (67)
Maria bezieht 1.400 Euro Rente und arbeitet halbtags im Büro für 1.800 Euro Brutto weiter.
Bisher:
Die 1.800 Euro wurden voll mit ihrem persönlichen Steuersatz versteuert (Progressionsvorbehalt). Vom Zuverdienst blieben netto oft nur ca. 1.100 Euro übrig.
Neu (Modellrechnung Aktivrente):
Durch den neuen Freibetrag bleibt ein Großteil des Zuverdienstes steuerfrei. Zusätzlich spart sie Sozialabgaben. Ihr Netto aus dem Zuverdienst steigt auf ca. 1.500 Euro.
Effekt: + 400 Euro monatlich mehr in der Tasche als bisher.
Analyse: Für wen ist das Paket gut, für wen nicht?
Unsere Redaktion hat das Gesetz nach Lebensphasen bewertet. Hier ist Ihr persönlicher Check:
🟢 Die Gewinner
Die Babyboomer (Jahrgänge 1960–1969):
Sie ziehen das große Los. Sie gehen in den Ruhestand, wenn das Rentenniveau garantiert hoch ist (48%), haben aber ihr Arbeitsleben lang vergleichsweise niedrige Beiträge gezahlt. Das Paket ist faktisch ein Geschenk der Jüngeren an diese Kohorte.
Erwerbsgeminderte:
Wer krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten kann, profitiert von verbesserten Zurechnungszeiten. Auch Bestandsrentner erhalten nun endlich Zuschläge von bis zu 7,5 Prozent. Ein überfälliger Schritt zur Armutsbekämpfung.
🔴 Die Verlierer
Die Generation „Mitte“ (Jahrgänge 1980–2000):
Sie tragen die Hauptlast der Finanzierung. In der Phase, in der diese Generation oft Häuser abbezahlt oder Kinder großzieht (Rushhour des Lebens), steigen die Abgaben drastisch. Gleichzeitig ist unklar, ob das Rentenniveau nach 2040 (wenn diese Gruppe in Rente geht) gehalten werden kann.
Gutverdiener:
Zusammen mit dem Rentenpaket wird auch die Beitragsbemessungsgrenze stärker steigen als bisher. Das bedeutet, dass von höheren Gehältern prozentual mehr abgezogen wird, ohne dass die Rentenansprüche im gleichen Maße wachsen (wegen der Abflachung der Äquivalenz).
Verbraucher.Online Fazit: Sicherheit auf Pump
Das Rentenpaket II ist ein politisches Beruhigungsmittel. Es nimmt den Millionen angehenden Rentnern die Angst vor dem sozialen Abstieg. Das ist ein Wert an sich. Doch die Finanzierung steht auf tönernen Füßen. Die Wette auf den Aktienmarkt (Generationenkapital) ist richtig, kommt aber 20 Jahre zu spät und ist zu klein dimensioniert, um die Beitragsexplosion wirklich zu stoppen.
Unsere Empfehlung:
Verlassen Sie sich nicht darauf, dass 48 Prozent auch 2050 noch gelten. Nutzen Sie die Steuerersparnisse der „Aktivrente“ konsequent, wenn Sie können. Und für alle unter 50 gilt mehr denn je: Die gesetzliche Rente ist nur das Fundament. Wer den Lebensstandard halten will, muss privat und betrieblich anbauen – idealerweise ebenfalls aktienbasiert, da der Staat es nun vormacht.
Die häufigsten Fragen (FAQ)
Unsere Redaktion erreichen seit Freitagmorgen hunderte Zuschriften. Hier die Antworten auf die drängendsten Fragen – kurz und bündig.
1. Ab wann gelten die neuen Regeln?
Das Gesetz tritt im Wesentlichen zum 1. Juli 2026 in Kraft, um einen nahtlosen Übergang nach Auslaufen der aktuellen Haltelinie zu gewährleisten. Die Regelungen zum Generationenkapital (Aufbau des Fonds) starten jedoch rückwirkend schon im Haushaltsjahr 2024/2025.
2. Wird das Renteneintrittsalter auf 69 oder 70 Jahre erhöht?
Nein. Das Rentenpaket II beinhaltet keine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters. Es bleibt bei der schrittweisen Anhebung auf 67 Jahre bis 2031. Die Regierung setzt auf Freiwilligkeit durch die „Aktivrente“, nicht auf Zwang.
3. Muss ich Aktien kaufen, um von der Reform zu profitieren?
Nein. Das „Generationenkapital“ wird zentral vom Staat verwaltet (durch eine öffentliche Stiftung). Als Versicherter haben Sie damit keinen direkten Kontakt, kein eigenes Depot und tragen auch kein direktes Verlustrisiko. Das Geld dient nur als Puffer für die allgemeine Rentenkasse.
4. Gilt die Aktivrente (Steuerfreibetrag) auch für Frührentner?
Das ist im Detail noch abhängig von der genauen Ausführungsverordnung, aber der Grundsatz lautet: Die Privilegien zielen auf Menschen ab Erreichen der Regelaltersgrenze. Wer mit 63 in Rente geht und weiterarbeitet, profitiert bereits vom Wegfall der Hinzuverdienstgrenze, aber die vollen steuerlichen „Aktiv“-Vorteile greifen meist erst ab der regulären Rentengrenze.
5. Ich bin selbstständig. Kommt jetzt die Rentenpflicht?
Das ist der „Elefant im Raum“. Das Rentenpaket II enthält Passagen zur Einbeziehung Selbstständiger, aber die Umsetzung ist komplex. Es läuft auf eine Altersvorsorgepflicht hinaus (Wahlrecht: Gesetzliche Rente ODER nachweisbare private Vorsorge wie Rürup). Rechnen Sie ab 2027 mit einer Nachweispflicht.
6. Sinkt meine Rente, wenn die Börse crasht?
Nein. Die Rentenhöhe ist gesetzlich garantiert (Haltelinie). Wenn das Generationenkapital Verluste macht, muss der Bundeshaushalt (Steuerzahler) einspringen, um die Rente zu zahlen. Ihre monatliche Überweisung ist sicher.
7. Was bringt mir das Paket, wenn ich heute 30 Jahre alt bin?
Ehrlich gesagt: Vorerst höhere Kosten. Sie zahlen ab 2027 mehr Beiträge. Der Vorteil für Sie liegt in der Hoffnung, dass durch den Kapitalstock die Beiträge in den 2040er Jahren (wenn Sie auf die Rente zugehen) nicht auf 25 % explodieren, sondern „nur“ bei 23 % landen. Es ist eine Maßnahme zur Dämpfung des Anstiegs, keine Senkung.
8. Wie hoch ist der Bundeszuschuss zur Rente aktuell?
Schon heute fließen über 100 Milliarden Euro aus Steuermitteln in die Rente. Kritiker befürchten, dass durch die Reform dieser Zuschuss weiter steigen muss, was Spielräume für Investitionen in Bildung oder Infrastruktur einschränkt.
9. Lohnt sich jetzt noch eine Riester-Rente?
Das Rentenpaket II reformiert die gesetzliche Säule. Parallel arbeitet die Regierung an einer Reform der privaten Vorsorge (Altersvorsorgedepot als Riester-Nachfolger). Warten Sie mit dem Abschluss neuer alter Riester-Verträge ab, bis das „Altersvorsorgedepot“ (voraussichtlich 2026) startklar ist. Das wird deutlich kostengünstiger und renditestärker.
10. Wo kann ich sehen, wie viel Rente ich bekomme?
Schauen Sie auf Ihre jährliche Renteninformation. Oder nutzen Sie das neue „Digitale Rentenübersicht“-Portal der Deutschen Rentenversicherung, das nun schrittweise alle Säulen (Gesetzlich, Privat, Betrieblich) bündelt.
Redaktionelles Schlusswort
Die Rente bleibt eine Baustelle, auch nach dem 5. Dezember 2025. Dieses Paket kauft Zeit – auf Kosten der Beitragszahler. Für Sie heißt das: Bleiben Sie finanziell wachsam. Nutzen Sie die staatlichen Geschenke (Aktivrente, Förderungen), aber verlassen Sie sich nicht allein darauf. Diversifikation ist nicht nur für den Staat beim Generationenkapital wichtig, sondern auch für Ihr privates Vermögen.
Dieser Artikel wurde auf Basis des beschlossenen Gesetzestextes und Analysen führender Wirtschaftsinstitute erstellt. Stand: Dezember 2025.






